2019 – 15 Jahre Hirschen-WG
Fünfzehn Jahre „Hirschen-Wohngemeinschaft“
„Der Hundertjährige, der in eine WG zog, um dort seinen Lebensabend zu genießen …“ – so könnte eine der Geschichten beginnen, die sich in der Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz an der Schwarzwaldstraße in Ebnet im Laufe der Jahre abgespielt haben. Ja, das kommt tatsächlich vor, dass Menschen noch mit 90 oder 100 Jahren in eine WG ziehen!
Im März 2004 startete diese Lebensgemeinschaft mit den ersten Bewohnerinnen und Bewohnern im 1. Obergeschoss des umgebauten ehemaligen „Gasthauses zum Hirschen“. Seitdem haben bereits rund 35 Frauen und Männer dort ihre letzten Lebensjahre verbracht. Wie kam es zu dieser besonderen WG?
Das Pionierprojekt für die Region Freiburg
Am Anfang stand eine Selbsthilfe-Initiative von pflegenden Angehörigen und professionell Pflegenden. Aufgrund eigener unangenehmer Erfahrungen in bestehenden Einrichtungen suchten die GründerInnen nach einer besseren Lösung, bei der die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Betroffenen und deren Würde im Mittelpunkt steht. Ebenso war es den GründerInnen ein Anliegen, zeitgemäße und dem aktuellen Wissensstand entsprechende Begleitung und Pflege zu ermöglichen und zu verwirklichen.
Die Idee, Menschen mit Demenz in einer Wohngemeinschaft zu betreuen und zu versorgen, war nicht ganz neu. Es gab solche Projekte schon, z. B. in Berlin. Davon ließen sich die Freiburger Initiatoren inspirieren und gründeten zunächst den Verein Labyrinth als ideellen Träger und zukünftigen Vermieter und dann die erste WG mit und für Menschen mit Demenz in der Region Freiburg. Das war Pionierarbeit und in der Anfangszeit nicht ohne Risiko. Heute ist dieses alternative, ambulant betreute Wohnprojekt etabliert und bewährt. Die guten Erfahrungen in der ersten WG führten bereits 2007 dazu, dass der Verein sich entschloss eine zweite Wohngemeinschaft zu gründen: die „Birkenhof-WG“ in Kirchzarten-Burg.
Selbstverwaltung: ehrenamtlich und eigenständig
Die Bewohner oder ihre Vertreter treffen alle für das Gemeinschaftsleben wichtigen Entscheidungen. Sie verwalten die gemeinsame Haushaltskasse und beauftragen den ambulanten Pflegedienst, der als Dienstleister in die WG kommt.
Die monatlichen Kosten des Lebens in einer solchen WG sind vergleichbar mit denen eines Pflegeheims. Wie bei der Unterbringung im Heim wird ein Teil der Kosten von der Pflegeversicherung getragen.
Vereinsvorstand und Angehörige verwalten die WG ehrenamtlich. Während die Angehörigen abwechselnd Großeinkauf machen, bei den Mahlzeiten helfen oder Ähnliches, sichert der Verein die finanziellen Rahmenbedingungen; er führt eine Warteliste für Interessenten und fungiert als Vermieter, sorgt für die Verwirklichung anerkannter Qualitätsstandards und pflegt den regionalen und überregionalen Austausch mit anderen WGs.
Ehrenamtliches Engagement
Labyrinth bietet verschiedene Möglichkeiten für bürgerschaftliches Engagement: Ehrenamtliche sind gern gesehen! Sie kommen beispielsweise einmal in der Woche für zwei bis drei Stunden in die WG und gehen dann spazieren oder singen mit den Bewohnern, sie spielen oder lesen vor oder unterhalten sich mit den Bewohnern. Auch in der Selbstverwaltung des Vereins, in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Bewältigung der täglichen Aufgaben sind Engagierte willkommen.
2017: Zehn Jahre Birkenhof-Wohngemeinschaft!
Es wird schon weitergeh’n …!“ – diese Liedzeile trällerte unser früherer WG-Bewohner Paul B. immer wieder fröhlich vor sich hin – und sie ist in der WG mittlerweile zu einer stehenden Redewendung geworden. Sie könnte auch als Motto über einem Erfahrungsbericht aus 10 Jahren Birkenhof-WG stehen.
Ein Blick in den Alltag: Wenn Klara M. und Paul B. (die Namen wurden geändert) mit ihrem Besuch auf dem großen Balkon sitzen, grüßen zwischen den Häusern der Birkenhofsiedlung die nahen Schwarzwaldhänge herüber. Im Sommer genießen die beiden hier im Schatten alter Bäume so manches Kaffeekränzchen, im Winter können sie durch die hohen Glastüren und Fenster die Spatzen im Vogelhäuschen beobachten. Paul B. – inzwischen mit 99 Jahren verstorben – gehörte 2007 zu den ersten Bewohnern der WG. Sie war ein sehr passendes neues Zuhause für ihn, der keine Familie mehr hatte. Klara M. zog vor 5 Jahren ein, als ihre Angehörigen sie wegen fortgeschrittener Demenzerkrankung nicht länger zu Hause pflegen konnten.
Gegründet wurde die WG von einer Initiativgruppe von pflegenden Angehörigen und Pflegekräften, mit Unterstützung des Vereins Labyrinth. Am 1. Juni 2007 konnten die ersten Bewohner einziehen. Seitdem hat sich die Birkenhof-WG als alternatives Wohn- und Pflegemodell für Menschen mit Demenz im Dreisamtal etabliert. Und so ist es nur folgerichtig, dass Labyrinth mit dieser WG auch im Verbund der sozialen Einrichtungen des Dreisamtals („Netzwerk für Gutes“) vertreten ist. Das Modell der selbstverwalteten, ambulant betreuten WG hat sich in unseren Augen bewährt. Wir schätzen es, weil es mit einem bedarfsgerechten Personalschlüssel individuelle Begleitung und Pflege sowie weitgehende Selbstständigkeit und Teilhabe der Bewohner ermöglicht.
Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Birkenhof-WG gibt das legendäre Freiburger Männerquintett „Öl des Südens“ ein Benefizkonzert. (28.10.2017, 19 Uhr, in der Kirchzartener Talvogtei. Näheres unter „Aktuelles / Veranstaltungen“) Der Erlös ist für die Anschaffung neuer Schränke und für eventuell zu ersetzende Großgeräte gedacht. Nach 10 Jahren starker Beanspruchung kann man sich vorstellen, dass manches nicht mehr ganz „frisch“ ist …